Tag 43 (29.08.18): Von Dassow nach Priwall / Travemünde (Ostsee) – Ende der Grenzgaengertour 2018

ohne Worte …, pure Emotionen …Ende der Reise

Dassow-Holm: Start in den letzten Tag

typisches Backsteinhaus in Dassow

auf den letzten (Kilo-) Metern

Gut Volkstorf: Wo sind die Bauarbeiter?

Ein letztes Mal: Naturschutzgebiet am Grünen Band

Gut Volkstorf: Torbogen

Blick in den Westen (Travemünde)

NSG bei Pötenitz: die wirklich letzte (kleine) Herausforderung

Bei Priwall: Land in Sicht – die letzten Meter …

Geschafft: Von Ost nach West und zurück … Nach 1541 Kilometern und 43 Tagen: eine deutsch-deutsche Fahrradreise.

Vater und Tochter freuen sich gemeinsam

ohne Worte …, pure Emotionen …                 Ende.

—- Ich hoffe, das Lesen und Bilder Anschauen hat Spaß gemacht! —-

Tag 43 (29.08.18): Von Dassow nach Priwall / Travemünde (Ostsee)   –   Ende

Km: 1526-1541

Heute ist der letzte Tag meiner Grenzgängertour 2018. Um acht Uhr frühstücken wir, ich ein letztes Mal auf dieser Reise. Ich erzähle von meinen Schmerzen in der Nacht. Elenas Matratze hatte auch schon bessere Zeiten erlebt. Beim Frühstück frage ich Elena nach ihren bisherigen Eindrücken, die trotz der Schwierigkeiten mit der Unterkunft durchweg positiv sind, vor allem der gestrige Besuch des Grenzmuseums in Schlagsdorf. Ich fange mal wieder an über deutsche Teilung, Nachkriegsgeschichte, Mauerbau 1961, Wendezeit zu dozieren und bin mir nicht sicher, ob ich über ihren Kopf hinweg rede.

Auf der Bundestraße 105 müssen wir eine kurze Strecke ohne Fahrradweg fahren. Ich hoffe, dass hier auf den letzten ‚gefährlichen‘ Metern nichts passiert.  Glück gehabt, wie so an manchen Stellen während der Fahrradtour, an denen der Autoverkehr mir doch etwas zu nahe gekommen ist.

In Dassow biegen wir kurz von der Hauptstraße ab, um einen Blick auf die Kirche zu werfen. Geschlossen. Dafür kommen wir aber mit einem Rentner ins Gespräch, der auf den Hufschmied wartet, der aus Lübeck herüber kommen soll. Seit mehr als vierzig Jahre lebt er schon alleine, die Ehe ist geschieden worden.  Er gehört wohl auch der Generation an, die möglicherweise im Innersten ihres Herzens der „guten, alten“ DDR-Zeit nachhängt. Wie so oft auf dieser Reise höre ich, dass vor 1989 ja auch nicht alles schlecht gewesen sei, alle genug zu essen gehabt hätten und, na ja, mit den Bananen und Apfelsinen wäre es halt etwas schwierig gewesen. Er erzählt eine Flüchtlingsgeschichte: ein Republikflüchtling sei durch Travemünder Fischer, auf einem Stein im Wasser sitzend, gerettet worden. Der Sohn sei bei der Bundeswehr als Zeitsoldat gewesen. Das wäre ja auch im Vergleich zu seiner eigenen Zeit als Wehrpflichtiger bei der DDR-Armee nichts Richtiges gewesen, viel zu lasch … Ein Lübecker Auto hält an, sein Besuch kommt.

Der Weg nach Priwall, der Endstation meiner nun mehr als sechswöchigen Reise entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, ist gut ausgeschildert. In Johannstorf biegen wir aber von der Landstraße ab und fahren über Feld- und Waldwege nach Volkstorf, wo gerade ein ehemaliges adliges, imposantes Gutsgebäude (Schloss Johannstorf) außen renoviert wird. Von Bauarbeitern ist nichts zu sehen. Es scheint, als ob die Zeit stehen geblieben ist.

Nach Volkstorf mit teilweise schönen, neuen Häusern mit Blick auf den Dassower See fahren wir über abgeerntete Felder und haben den Westen, das Ziel schon fest im Blick. Ein letztes Mal geht es durch einen etwas urwaldähnlichen Wald auf einem schmalen Trail voran. Die Spannung steigt. Bald ist das Ziel erreicht. Wir lassen Pötenitz rechts liegen und sehen plötzlich die Ostsee vor uns. Ein schmaler Strandweg führt direkt darauf zu. Die Kamera wird ausgepackt, eine paar (vorletzte) Bilder gemacht. Elena holt ihr Handy raus und filmt uns beide auf dem Weg zum Strand. Beim Schieben der Fahrräder durch den Sand ans Wasser merken wir, dass wir an einem FKK-Strand gelandet sind. Ich hoffe nur, wir stören hier nicht zu sehr …

Ich ziehe meine lange Hose aus und wate in das etwas steinige Ostseewasser, bis ich sandigen Boden unter meinen Füßen habe und ein paar Runden schwimmen kann. Im Westen sehe ich Travemünde. Ein großes Fährschiff kommt gerade rein. Ein junges Pärchen macht freundlicherweise ein paar Erinnerungsfotos von uns bzw. von mir.
1.541 Kilometer in exakt 100 Stunden Fahrzeit haben am 43. Tag meiner Reise ihr glückliches Ende gefunden. Sechs Wochen sind eine lange Zeit….

Ich lasse ein letztes Mal die unterschiedlichen Stationen, die Menschen, die Gespräche, die Landschaften, die Grenzanlagen, den Brocken, das Eichsfeld Revue passieren. Ich empfinde Freude, dass alles gut gegangen ist bei mir und meinen Begleiter/innen, eine große Dankbarkeit dafür, dass ich diese mich sehr bewegende Reise durch die deutsch-deutsche Geschichte und damit auch meine eigene Lebensgeschichte machen durfte. Vielleicht ist es auch ein wenig Stolz, dass ich die körperlichen Anstrengungen und psychischen Herausforderungen wenige Monate vor meinem 70. Geburtstag gut und zehn Jahre nach einer schrecklichen medizinischen Diagnose überstanden habe. Ich hole die zwei Fläschen Sekt aus der Packtasche, die ich wohlweislich schon vor einigen Tagen gekauft habe. Es geht wie bei der Siegerfeier der Formel 1 zu. Wir bespritzen uns mit dem Rotkäppchen-Sekt aus dem NETTO in Ratzeburg. Auch der Rest von Bernhard Fahrigs selbstgebrautem Wildkirschen-Schnaps muss dran glauben.

Wir setzen uns an den Dünenrand in den Sand. Mein Blick geht von Ost nach West und zurück, zu den Möwen, die über mir fliegen. Elena holt das Handy heraus und fragt mich: „Papa, wie war deine Reise insgesamt, erzähl doch mal …!“
Ich spreche ein letztes Mal über meine Motivation für diese Reise, die Erlebnisse, die vielen positiven und sehr wenigen negativen, die Freude und Dankbarkeit …, die nächsten Pläne. Zwischendurch stocke ich, es kommen mir ab und an Tränen der Erleichterung …

Es ist geschafft!