Tag 9 (26.07.2018): Von Irmelshausen nach Weimarschmieden

Gasthaus zur Linde in Irmelshausen

thüringisches Franken: auf dem Weg nach Berkach

Ehemalige Synagoge in Berkach. Sehr schön restauriert.

jüdischer Friedhof in Berkach

kleiner See bei Nordheim

Verfallener Beobachtungsturm an der ehemaligen Grenzübergangsstelle (GÜST) Henneberg / Eußenhausen

Blick von der GÜST nach Thüringen

demolierte Steelen am Goldenen Tor

Erinnerungsstätte Goldenes Tor

Tag 9 (26.08.18):  Von Irmershausen nach Weimarschmieden

Km: 322 – 362

Nach dem Frühstück um halb acht versuche ich noch vor der richtigen Hitze zu starten, aber irgendwie klappt es nicht. Das Zimmer sieht mit den vielen Sachen auf dem Boden immer wie nach einem Bombenabwurf aus. Sorry. Der Vergleich trifft angesichts des Ernstes des 2. Weltkrieges wohl nicht die Sache, aber das sind halt die Sprüche der 50er und 60er Jahre.

Im ersten Ort des Tages werde ich von meinem etwas störrischen Kunstmaler vom vergangenen Abend überholt und er hupt freundlich. Ich halte an. Wir unterhalten uns kurz und switchen auf das Du um. Er restauriert Häuserwände, hauptsächlich Fachwerk, und ist auf dem Weg zu einer Baustelle im Osten. Wir tauschen unsere Adressen und Telefonnummern aus und laden uns gegenseitig zu Besuchen ein. MARTa in Herford ist ihm natürlich ein Begriff. Das erste persönliche Geschenk an diesem Tag. Eins von vielen, das ich bisher auf dieser Reise erhalten habe und zukünftig noch bekommen werde. Sehr persönliche Begegnungen mit Menschen beiderseits der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, in Ost und West.

Über das deutsch-deutsche Freilandmuseum Behrungen geht es bergan nach Berkach, wo ich vor der verschlossenen Tür der nach 1990 schön restaurierten Synagoge stehe. Eigentlich sollte jemand in dem Nachbarhaus wohnen, aber es wird nicht geöffnet. Das Badehaus und der Friedhof geben einen nachdenklichen Eindruck der ehemaligen jüdischen Gemeinde, die in den Dreißiger Jahren ein Drittel der Bevölkerung ausgemacht hat. Ich erinnere mich an Georg Iggers, dem in Hamburg 1926 geborenen  und im November 2017 in Buffalo, N.Y., verstorbenen Holocaust-Überlebenden, Geschichtsprofessor, meinen akademischen Lehrer von 1979 bis 1981 und väterlichen Freund, dessen Vorfahren auch aus einem kleinen Dorf im Schwäbischen kamen (Iggersheim). –  Die Menschen geben bereitwillig Auskunft. Sie akzeptieren anscheinend die Geschichte ihres Orts.

Auf dem Trecker kommt mir ein Mittfünfziger entgegen und fragt mich, was ich hier mache. Für den Besuch des jüdischen Friedhofes hat er Verständnis. Er berichtet von einem Dresdner Polizisten, der sich seinen Urlaub aufgespart und den ganzen Weg zu Fuß gemacht hat. Chapeau! Er fragt mich nach meinem Alter und schüttelt ungläubig den Kopf … und wünscht mir gute Fahrt.

Am schönen kleinen Teich (oder ist es wohl eher ein kleiner See?) bei Nordheim mache ich in der kleinen Freizeitanlage des Angelvereins eine kleine Rast. Steil geht es dann nach Henneberg hoch. In der Mittaghitze bietet mir eine Frau freundlicherweise Nachschub für meine 1,5 Liter-Wasserflasche an.

Von dem Nationaldenkmal Skulpturenpark Deutsche Einheit bin ich enttäuscht. Gegenüber dem ehemaligen B-Turm befindet sich das Goldene Tor, aus Holz und von Berufsschülern hergestellt. Zwei der vier Metallwände liegen auf dem Boden, sind anscheinend umgeworfen worden. Die Inschrift ‘WIR SIND’ ist nicht zu sehen. Auch unter der verblassten Brücke des Goldenen Tors ist ein Kunstwerk umgeworfen worden. Vandalismus mit politischem Hintergrund.  …? Auf alle Fälle steht auf der noch aufgerichteten rechten Stele unter dem Wort ‘VOLK’ aufgesprüht ‘of the New Europe’. Die Aussage ist klar und eindeutig. Lässt hier die AFD grüßen?

In Henneberg sieht es leider wieder etwas nach Downtorn Laramie im Mittleren Westen aus: Die Gastwirtschaft, für das am Ortseingang geworben wird, ist schon seit einigen Jahren nicht mehr in Betrieb und der Imbiss hat nur von 7 bis 14.00 Uhr auf. Zu spät. Pech gehabt.

Über das von DDR-Grenzsoldaten geschliffene Dorf Schmerbach, nur ein kleiner Hain mit Gräbern ist geblieben, fahre ich in Richtung Fladungen, komme aber etwas vom Weg ab. Eine sportliche Walkerin kurz vor Helmershausen verweist mich auf eine Übernachtungsmöglichkeit im Weimarschmieden, dem nördlichsten Ort in Bayern mit sage und schreibe 46 Einwohnern. Auch diesen Anstieg schaffe ich noch. Von Jenny, der Tochter meiner Frau Ellen, bekomme ich die Nachricht, dass sie ihre Bachelor-Prüfung erfolgreich bestanden hat. Herzlichen Glückwunsch!

Im Gasthaus Zur Weimarschmiede komme ich relativ kaputt an. Die Wirtin hat gerade ihre Damen-Tanzgruppe zu Gast und eine Übernachtung ist nicht mehr möglich. Jana und Axel, zwei Angestellte, versuchen mir ein Zimmer in Stockheim zu organisieren, aber das würde bedeuten, dass ich 10 km zurück fahren müsste. Der Akku muss nachgeladen werden. Wenn ich einen Schlafsack hätte, heißt es schließlich, könne ich noch auf der Couch in der Ferienwohnung nebenan übernachten. Ein Geschenk!

Jana erzählt mir vom Leben in Ost und West sowie ihrem viel zu früh verstorbenen Vater. Eine traurige Geschichte. Die Jäger, die vom Niederrhein für`s Wochenende gekommen sind, um bei einem Freund, der seit zwei Jahren hier ‘ausgestiegen’ ist und in der Ruhe des ehemaligen Grenzgebietes lebt, auszuspannen, sind recht leutselig. Als ich vom Schicksal meines auf der Jagd erschossenen Opas berichte, sagt einer von ihnen: „Passiert halt öfters.“ – Ich antworte nur, dass ich darüber nicht lachen kann.
Vollkommen kaputt falle ich abends in den leichten Schlafsack, den mir Theresa zum Glück mitgegeben hat.