Tag 14 (31.07.18): Von Philippsthal nach Berka / Werra
Tag 14 (31.07.18): Von Philippsthal nach Berka
KM: 478 – 506
Von Philipsthal fahre ich nach Vacha, der thüringischen Schwestergemeinde auf der anderen Seite der Werra. Genau am Beginn der Brücke treffe ich auf Hannelore, die mich fragt, wo ich hinmöchte. Es scheint, dass sie sich auskennt. Sie erklärt mir den genauen Grenzverlauf, zeigt mir den Beobachtungsturm in Vacha und gibt mir eine Menge an historischen Informationen.
Sie hat den 11. November 1989 hautnah miterlebt und als Hobbyfilmerin die historischen Stunden des 11. und 12. November, den Abbau der Grenze nach 40 Jahren, den Menschenauflauf, das Rüber und Nüber miterlebt. Eine wirkliche historische Quelle.
Sie lädt mich freundlicherweise zu sich nach Hause ein, wo ich auch ihren Mann kennenlerne, der bei der Bundeswehr als Berufssoldat gearbeitet hat. Der Film aus dem Jahre 1989 dürfte einer der wenigen visuellen lokalen Zeitdokumente der Maueröffnung 1989 sein. Die Rechte wurden an ARD und ZDF übertragen, aber im Internet befinden sich viele Kopien, auch eine Zusammenfassung der Hessischen Staatskanzlei bei Youtube Die sehr persönlichen Stunden vergehen wie im Fluge.
Beim Anschauen des Films werden in mir alte Erinnerungen wach, der spontane, unangemeldete Besuch am 12. November in Ost-Berlin. Die Fahrt mit den drei Kindern, u. a. der erst dreimonatigen jüngsten Tochter, auf der Transitstrecke nach Berlin. Das Tanzen der Menschen auf der Mauer am Brandenburger Tor, das Hallo beim Eintreffen bei meinem Bruder Klaus und seiner Familie zum Abendbrot. Die Fahrt in der Nacht zurück. Das Unterrichten am nächsten Morgen nach wenigen Stunden Schlaf. Mir kommen beim Anschauen des Filmes die Tränen …
Parallel zur mit Salzen und anderen Abwässern belasteten Werra geht es meistens über sehr befahrene Straßen nach Berka / Werra, wo ich in dem Gasthaus Zur Post heute relativ früh eine Unterkunft finde. Ich bin froh angesichts der Hitze. Hier treffe ich Klaus, einen 82-jährigen sehr rüstigen Rentner, der als Flüchtlingskind aus Schlesien nach Berka kam und dort jahrzehntelang im Kalibergbau gearbeitet, später auch Lehrlinge unterrichtet hat. Drei Stunden haben wir die Geschichte der DDR, der Wende und Nachwendezeit hoch und runter diskutiert. Wir beide sind Thüringer, und er wundert sich über mein historisch-politisches Wissen. Ich gebe mich als Historiker mit engen Familienbanden in der DDR zu erkennen. Es ist schwül in dem Hof der Gastwirtschaft, aber die Zeit vergeht wie im Fluge. Ein beeindruckender Mensch, der früher mal in der SED war, aber wohl damals wie heute seinen kritischen Geist behalten hat.
Die Nacht muss ich das Fenster auflassen, der Straßenverkehr stört zwar, aber es kommt wenigstens etwas frische, kalte Luft herein.