Tag 18 (04.08.18): Heilbad Heiligenstadt – Ruhetag
Tag 18 (04.08.18): Heilbad Heiligenstadt – Ruhetag
Km: 630
Heute steht kein Fahrradfahren auf dem Programm! Nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Außenterrasse kommen wir noch mit einer Kellnerin ins Gespräch: Sie ist in dem kleinen 200-Seelen-Ort Röhrig, wo ich einige Jahre meiner Kindheit bis zur Flucht aus der DDR verbracht habe, geboren.
Auf dem Weg in die Innenstadt kommen wir am Schwimmbad vorbei. Die Erinnerung holt mich ein. War es 1959 oder 1960, als ich als Neun- oder Zehnjähriger mit mir und dem Schwimmen gekämpft habe? 45 Minuten am Stück schwimmen, um das Fahrtenschwimmerabzeichen zu erhalten. Ich erinnere mich an die lange Zeit, die Minuten und Minuten, die nicht vergehen wollten. Kein Anfassen des Beckenrandes, immer schön im Wasser in Bewegung bleiben. Wurde u. a. hier die Grundlage für den späteren Ehrgeiz, alles zu bestehen und zu schaffen, was ich mir vorgenommen habe, gelegt …? Beim Blick auf das schon leicht gefüllte Schwimmbecken werde ich mal wieder wehmütig wie schon öfters auf dieser Reise in die Vergangenheit.
Die Wilhelmstraße, wohl ein Relikt aus der Kaiserzeit, die zu DDR-Zeiten offiziell Karl-Marx-Straße hieß, aber von den Einheimischen nur Willem genannt wurde, hat sich seit der Wende verändert. Häuser haben neue Farben erhalten, Außencafés sind entstanden, aber auch eine Reihe von billigen Textilläden befinden sich genau wie in Herford mittlerweile dort. Ich kaufe mir ein leuchtendes T-Shirt, wahrscheinlich ein billiger Import. Mein schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen. Ich habe oft Otto, einen Kollegen und Freund aus Herford im Kopf, der beim Fahrradfahren tödlich verunglückt ist.
Ich sehe eine Erinnerungstafel an Theodor Storm und seine Zeit in Heiligenstadt. Wo finde ich wohl eine Erinnerungstafel an den jungen Heinrich Heine und seine Zeit am Amtsgericht in meiner Heimatstadt?
Nach dem Besuch im VitalPark lauschen wir abends dem Sommerkonzert. Die Tanzdarbietungen der halbprofessionellen Paare sind eine Augenweide, die musikalischen Darbietungen der Band nur teilweise. Alles gesponsert von der Volksbank Mitte, einer Verschmelzung der Volksbanken Heiligenstadt und Duderstadt. Irgendwie habe ich immer noch das Gefühl, dass ich in einem anderen Film bin, obwohl es schon nahezu drei Jahrzehnte keine Grenze mehr gibt.
Beim Absacker an der Hotelbar kommen wir mit einer Mitarbeiterin ins Gespräch, die sich bewusst für das Arbeiten in Thüringen und nicht in Hessen entschieden hat, obwohl sie nur wenige Kilometer von der hessischen Grenze entfernt wohnt. Als Grund gibt sie Mentalitätsunterschiede an. Ein Aspekt, der sich bisher durch viele Gespräche zog.
Ein Tag ganz ohne Fahrrad tut gut …